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Telegram und Co: Verfassungsschutz beschäftigt “Online-Trolle”, um Hass zu schüren

Telegram und Co: Verfassungsschutz beschäftigt "Online-Trolle", um Hass zu schüren

Quelle: www.globallookpress.com © Fernando Gutierrez-JuarezDer Verfassungsschutz betreibt hunderte rechtsextreme Fake-Accounts selbst.

Psychologische Operationen, sogenannte Psy-Ops, sind so alt wie die Kriegsführung selbst. Durch das Streuen gezielter Falschinformationen soll der Gegner zur Herausgabe von Informationen oder Ausübung gewisser  Handlungen verleitet werden – ganz im Sinne des Manipulierenden. Eine Taktik, die von Geheimdiensten oftmals zur Manipulation von Menschen im Ausland benutzt wird. In Deutschland scheinen die Geheimdienste im Rahmen solcher Aktionen statt ausländischer Staatsbürger jedoch lieber die eigene Bevölkerung ins Visier zu nehmen. Das geht aus einem am Montag veröffentlichten Bericht der Süddeutschen Zeitung (SZ) hervor.

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In einem Interview mit der SZ gestanden Beamte des Verfassungsschutzes nun ein, ein Netz aus gefälschten – meist als “rechtsextrem” eingestuften – Social-Media-Accounts zu betreiben, um in etwaigen Kanälen rassistische Sprüche zu posten und über Flüchtlinge sowie verhasste “Systempolitiker” und “Volksverräter” zu hetzen. Mit anderen Worten: Die Spione sollen die Stimmung in den observierten Chat-Gruppen beeinflussen. Hunderte “virtueller Agenten” soll der Deutsche Inlandsgeheimdienst dem SZ-Bericht zufolge zu diesem Zweck beschäftigten – auf Kosten der Steuerzahler.  

Im Visier der professionellen “Trollgruppe” stehen neben vermeintlich rechten Chat-Gruppen vor allem Social-Media-Kanäle der linksextremem, islamistischen, aber auch “verschwörungsideologische” Szene. “Man muss sich da erst mal ein bisschen warmlaufen”, erklärte eine Agentin der SZ. “Gucken, welche Sprüche funktionieren.” Um das Vertrauen anderer Nutzer zu gewinnen, müsse man möglichst authentisch rüberkommen. Deshalb sei sie angeleitet, “selbst ein bisschen rechtsradikal zu spielen”:

Um wirklich glaubwürdig zu sein, reicht es nicht, Aussagen anderer zu teilen oder zu liken, man muss auch selber Aussagen tätigen. Das heißt, die Agenten pöbeln und hetzen auch mit.

Den Agentin sei zwar bewusst, dass sie Menschen damit in ihrem Weltbild bestärke. Allerdings gehöre zu ihren Aufgaben auch, die Szene zu “füttern”. Was genau sie damit meinte, geht aus dem Bericht allerdings nicht hervor. Einer früheren Recherche der Süddeutschen Zeitung zufolge sollen die virtuellen Agenten jedoch eine tragende Rolle bei den Ermittlung im Fall der extremistischen Chat-Gruppe “Vereinigte Patrioten” gespielt haben. Mehrere Mitglieder der Gruppe wurden der Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung verdächtigt. Ihnen wird zudem unterstellt, die Entführung von  Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplant zu haben. 

Das Ziel der Online-Agenten besteht demnach darin, in die inneren Kreise aufgenommen zu werden. Die besonders einflussreichen Leute der Szene kennenzulernen, brauche aber Zeit, so die Agentin. Das funktioniere lediglich, indem man sich über “gemeinsame Freunde” an die “dicken Fische” annähert. “Jeder Mensch braucht Freunde”. Laut der Agentin ahnten viele Opfer dieser Orwellschen Überwachungsmethoden nicht, wie viele Accounts in ihren Chatgruppen inzwischen schon von Verfassungsschutz-Agenten geführt werden.

“Das ist die Zukunft in der Informationsbeschaffung”, entgegnete ein namentlich ungenannter Leiter eines Landesamts gegenüber der SZ. Die Mittel für solche Missionen habe man 2019 im großen Stil aufgestockt. Auslöser dafür sei nach Angaben des anonymen SZ-Informanten demnach der Mord an dem CDU-Politiker Walter Lübcke gewesen, gegen den im Netz zuvor viel gehetzt wurde. Mittlerweile gebe es so viele von der Behörde betriebene Fake-Accounts, dass bundesweite Absprachen nötig seien. Andernfalls könnten sie sich gegenseitig ins Visier nehmen. 

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Doch die enorme Masse an Fake-Accounts sei notwendig: Radikale Zirkel, erläuterte ein Agent der SZ, seien oft “zwiebelartig aufgebaut”. Um in den inneren Kreis hineinzukommen, würden Neulinge erst einmal befragt, ihre ideologische Haltung “abgeklopft”. “Hast du das gelesen? Was sagst du dazu”, veranschaulichte er. Darauf müsse man als Agent oder Agentin sofort antworten können. Sonst fliege man raus, da “rechte Gruppen” – wie etwa die “Atomwaffen Division” – äußerst paranoid seien.

Mit der Zeit wachse zudem die Gefahr, dass sich die Agenten selbst in den Ideologien verlieren, gestand ein hochrangiger Beamter des Verfassungsschutzes gegenüber der SZ ein. “Man braucht ein bestimmtes psychologisches Profil.” Bei denjenigen Agenten, die den ganzen Tag in den sozialen Netzwerken unterwegs seien, bestehe demnach eine erhöhte Gefahr, dass sie den Erzählungen dort selbst verfallen. Wer sich den ganzen Tag lang in einem “geschlossenen Weltbild” bewege, der müsse immer daran arbeiten, Distanz zu bewahren, so der Beamte. “Geschlossene Weltbilder neigen dazu, in sich logisch zu sein.”

Vom Verfassungsschutz eigens beschäftige Psychologen sollen deshalb verhindern, dass ein Cyber-Agent “abrutscht”. Falls einer dann doch mal abdriftet, fungieren sie zugleich aber auch als Aufpasser. Auf die Frage, wie oft das schon passiert sei, reagierte der hochrangige Beamte lediglich mit Schweigen. Die Aufgabe eines virtuellen Agenten sei es, Tag und Nacht mitzuhetzen und im Sinne der jeweiligen Ideologien zu argumentieren – und dabei “trotzdem straight bleiben”, erklärte er:

“Man muss die Szene verstehen, ohne gleichzeitig Teil dieser Szene zu werden. Nicht jeder kann das lernen.”

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