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Vor zehn Jahren besiegelte das erste Blut auf dem Euromaidan das Schicksal der Ukraine

Vor zehn Jahren besiegelte das erste Blut auf dem Euromaidan das Schicksal der Ukraine

Quelle: Sputnik © Andrei SteninBrennende Barrikaden am 22. Januar 2014 in der Gruschewski-Straße in Kiew. Während der Zusammenstöße der Maidan-Anhänger mit der Polizei an diesem Tag kam der Aktivist Sergei Nigojan ums Leben.

Von Wladimir Kornilow

Vor zehn Jahren, am 22. Januar 2014, wurde das erste Blut auf dem Kiewer Maidan vergossen. An diesem Tag wurde dem 20-jährigen Euromaidan-Aktivisten Sergei Nigojan, der aus der Menge herausstach, in den Rücken geschossen. Danach bekam die Protestaktion, deren Elan bereits im Erlöschen begriffen war, neuen Schwung, was bald zu einer weiteren, viel größeren Zahl von Opfern führte. Im Prinzip ist alles, was wir seither in der Ukraine erlebt haben, eine Folge des Verbrechens, das Kiew und der Westen als “demokratische Revolution” bezeichnet haben. Hätte es den gewaltsamen Umsturz nicht gegeben, wären Nigojan und andere Maidan-Aktivisten nicht als sakrales Opfer der ukrainischen Farbrevolution dargebracht worden – und es wäre vielleicht möglich gewesen, eine friedliche, unblutige Lösung für den ewigen innerukrainischen Konflikt zu finden.

Aber eine friedliche Lösung war von Anfang an nicht in den Plänen der Organisatoren dieses Massakers vorgesehen. Sie brauchten Blut, sie brauchten Opfer.

Nigojan wurde wahrscheinlich nicht zufällig ausgewählt. In den wenigen Wochen, die er auf dem Kiewer Maidan verbracht hatte, wurde er zu einer erkennbaren Persönlichkeit, und die Fernsehsender interviewten ihn gerne. Klar, ein ukrainisch sprechender Armenier war sehr gut für Propagandaspots geeignet. Vielleicht hat er durch ein Gedicht von Taras Schewtschenko, das er am Vortag vorgetragen hatte, sein Schicksal bestimmt. Wie auch immer, er wurde von den Strippenziehern im Hintergrund als erstes Maidan-Opfer ausgewählt.

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Alle kriminalistischen Gutachten ergaben, dass Nigojan aus drei Metern Entfernung erschossen wurde. Erst nach mehreren Jahren, als man erkannte, dass die Anerkennung dieser Tatsache die Version bestätigt, dass der Aktivist absichtlich von seinen eigenen Leuten erschossen wurde, revidierte die Staatsanwaltschaft ihre eigenen Erkenntnisse und begann, andere Geschichten zu erfinden. Die Tatsache, dass Nigojan in den Rücken geschossen wurde, wurde überhaupt nicht publik gemacht.

Weitere Ereignisse bestätigten den Verdacht, dass die Maidan-Aktivisten von ihren eigenen Leuten erschossen wurden. Sie sprachen bei den Prozessen direkt darüber. Aber das hat niemanden mehr interessiert. Den Leuten wurde einfach erklärt, dass es unmöglich sei, die Verdächtigen zu identifizieren. Und um jede Chance auf Wahrheitsfindung zu vereiteln, wurde befohlen, im Umfeld der intensiven Erschießungen Bäume zu fällen – damit waren alle Spuren verwischt.

Wer bei klarem Verstand war, hatte zunächst keinen Zweifel daran, dass das erste Blut nicht von den Sicherheitskräften, nicht von den damaligen ukrainischen Behörden vergossen wurde, sondern von denjenigen, die den nachlassenden Protesten neuen Atem einhauchen wollten; die mit dem sich abzeichnenden Weg des Kompromisses nicht zufrieden waren. Wir möchten daran erinnern, dass selbst westliche Persönlichkeiten in Gesprächen hinter den Kulissen ihr zynisches Verständnis dafür zum Ausdruck brachten, dass ein und dieselben Personen einer “dritten Kraft” auf die Aktivisten des Maidan und auf die Sicherheitskräfte schossen. Das hinderte dieselben Personen nicht daran, auf Podien zu steigen und die Regierung von Wiktor Janukowitsch wütend der Morde zu beschuldigen.

Auch sei daran erinnert, dass die Ermordung von Nigojan eine Zäsur war, nach der sich die künftige Spaltung der Ukraine abzeichnete. Am 22. Januar 2014 verabschiedete der Oberste Rat der autonomen Krim eine offizielle Erklärung, in der er Kiew und westliche Abenteurer ehrlich vor dem weiteren Verlauf der Ereignisse warnte:

“Wenn dieses kriminelle Szenario umgesetzt wird, droht der Krim und den Krimbewohnern eine erzwungene Maidanisierung und der Verlust aller Errungenschaften der Autonomie und ihres Status. Wir werden gezwungen sein, auf die jahrhundertealte gemeinsame Geschichte mit Russland zu verzichten, die russische Sprache zu vergessen, mit dem Stigma ‘Jid’, ‘Moskal’, ‘Fremder’ zu leben und unter Nazi-Parolen die Heldentaten unserer Väter und Großväter zu verraten, die den Faschismus besiegt haben. Gestützt auf den Willen der Krimbewohner, die uns gewählt haben, erklären wir, dass wir die Krim nicht den Extremisten und Neonazis überlassen werden, die um den Preis der Spaltung des Landes und des Blutes seiner Bürger die Macht in der Ukraine an sich reißen wollen! Die Krimbewohner werden sich niemals an unrechtmäßigen Wahlen beteiligen, ihre Ergebnisse nicht anerkennen und nicht in einer ‘Bandera’-Ukraine leben.”

Doch die Warnungen der Krimbewohner und ähnliche Erklärungen von Vertretern des Donbass wurden von den Organisatoren des Maidan ignoriert. Es folgten die Wiedervereinigung der Krim mit Russland, die Ausrufung der Volksrepubliken Donezk und Lugansk sowie ein jahrelanger Krieg im Donezbecken, der Russland keine andere Wahl ließ, als eine spezielle Militäroperation einzuleiten.

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War es möglich, dieses Szenario zu vermeiden? Schließlich ist inzwischen ganz offensichtlich, dass das aus verschiedenen historischen Regionen künstlich geformte Projekt “Ukraine” nicht lebensfähig war. Zahlreiche “Maidane” und interne Konflikte führten unweigerlich dazu, dass durch dieses Projekt von Anfang an Risse gingen. Nun, die Krim und der Donbass konnten sich nicht mit dem völlig antagonistischen Galizien unter dem Dach eines Staatsgebildes vertragen!

Bis zum ersten Blutvergießen auf dem Maidan gab es jedoch noch eine Chance für eine zivilisierte Lösung des Konflikts. Zu diesem Zeitpunkt hatte Janukowitsch bereits Verhandlungen mit der Opposition aufgenommen, und die Konturen eines künftigen Abkommens, das vorgezogene Wahlen vorsah, waren bereits umrissen. Die Voraussetzungen für eine friedliche, unblutige Scheidung der Ukraine wurden geschaffen, wie es bei der Teilung der Tschechoslowakei der Fall war. Aber es ist klar, dass ein solches Szenario den Auftraggebern des Staatsstreichs nicht passte. Deshalb setzten sie auf eine Verschärfung. Es wurde ein blutiges Szenario gewählt. Wohlgemerkt, nicht die Krim, nicht der Donbass und schon gar nicht Russland haben es gewählt.

Deshalb ist es jetzt besonders wichtig, sich an die Umstände des ersten Blutvergießens auf dem Maidan zu erinnern. Die Mörder von Nigojan und anderen Maidan-Aktivisten teilten die Geschichte der Ukraine in ein Davor und ein Danach und ließen keine Chance für eine friedliche Scheidung antagonistischer Regionen.

Übersetzung aus dem Russischen. Der Artikel ist am 22. Januar 2024 auf ria.ru erschienen. 

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