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Warum es in China keinen Aufstand geben wird

Warum es in China keinen Aufstand geben wird

Quelle: AFP © Leah MillisChinas Präsident Xi Jinping während eines Treffens mit US-Außenminister Antony Blinken in der Großen Halle des Volkes in Peking am 19. Juni 2023.

Von Timur Fomenko

Seit sich der “Vorfall” mit der Gruppe Wagner Ende Juni in Russland ereignete und so schnell wieder vorüber war, wie er begonnen hatte, projizieren westliche Experten hypothetische Szenarien des Untergangs von Ländern wie Iran oder China.

Dabei stellen sie Überlegungen an wie: “Was wäre, wenn der Aufstand der Wagner Gruppe in China stattfinden würde?” und behaupten, dass ein solches Ereignis “der Alptraum von Xi Jinping” sei. Oder sie versuchen auf die Gegner des Westens ein Narrativ politischer Schwäche zu projizieren beziehungsweise ihre Wunschträume in Form von Szenarien der Katastrophe zu äußern. Daher wird jeder einzelne Rückschlag, den China erleidet, als Anfang vom Ende von Xi Jinping prognostiziert.

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Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit einer vom Militär angeführten Rebellion in China gering, da solche Theorien die Funktionsweise des politischen Systems Chinas als marxistisch-leninistischer Einparteienstaat falsch darstellen und unterschätzen. Die Realität ist, dass die politische Macht in China streng zentralisiert und weitreichend ist und dass sich dieser Trend unter Xi Jinping noch verstärkt hat.

China wird von der Kommunistischen Partei regiert, die seit dem Sieg von Mao Zedong im Bürgerkrieg seit 1949 an der Macht ist. Diese errichtete einen Einparteienstaat nach dem Vorbild der Strukturen der Sowjetunion, orientierte sich dabei aber auch an der historischen und politischen Tradition und der institutionellen Erfahrung der chinesischen Bürokratie. Wer sonst könnte den neuen chinesischen Staat leiten, wenn nicht diejenigen, die bereits über die Erfahrung dazu verfügen? Unter Großgrundbesitzern fanden Säuberungen statt, aber die Bürokraten überlebten. Der chinesische Staat verfügt somit über mehrere Regierungsschichten und -ebenen, wobei es im Gegensatz zu den unabhängigen und überparteilichen öffentlichen Diensten westlicher Länder, keine Trennung von “Partei” und der “Bürokratie” selbst gibt.

In einer solchen Regelung ist die gesamte Entscheidungsbefugnis auf einer streng hierarchischen Grundlage aufgebaut, die Ebene für Ebene an das Politbüro und dann innerhalb dieser Gruppe an den ständigen Ausschuss weitergeleitet wird. Die ihnen untergeordneten Bürokratien erstrecken sich oft über mehrere, sich oft überschneidende Ressorts, was ihre eigene institutionelle Autonomie einschränkt und sie so den darüber liegenden Bürokratien gegenüber verantwortlich macht. In ähnlicher Weise und am kritischsten ist, dass die Chinesische Volksbefreiungsarmee (VBA) ebenfalls eine Erweiterung der Partei ist, die der Gründung des Staates vorausgegangen ist, und nicht als unabhängige Institution existiert, wie es in einigen anderen Staaten der Fall ist. Die Kommunistische Partei Chinas hält am leninistischen Prinzip des demokratischen Zentralismus fest und nicht an einem pluralistischen oder föderalen Modell, bei dem verschiedene Fraktionen der Regierung gegeneinander kämpfen.

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Mit diesem politischen System ist der Spielraum für eine politische Rebellion in China sehr begrenzt und der Fokus auf die Einheit der Partei, die der Interpretation der Ideologie durch Xi Jinping folgt, wird stark betont. Zwar gibt es in der Partei natürlich viele politische Akteure mit eigenen Interessen, Agenden und Ähnlichem, von der obersten Ebene bis hinunter zur Dorfebene. Diese Art der Organisation macht es für eine hochrangige Person schwierig, sich zu erheben und “Dissens” zu äußern, und es ist für einen Einzelnen nahezu unmöglich, seinen Willen gegenüber der Partei als Ganzes durchzusetzen. Vor diesem Hintergrund ist es weder möglich noch logisch, dass China ein autonomes privates Militärunternehmen wie die Gruppe Wagner gründen würde, das über einen eigenen Einflussbereich und die hypothetische Fähigkeit verfügt, gegen den Staat zu rebellieren.

Das gilt nicht nur für militärische Angelegenheiten, sondern für beinahe alles, was es der Partei ermöglicht, jedes Organ des Staates nach Belieben zu kontrollieren. Aus diesem Grund kann China nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland Infrastruktur und Hochgeschwindigkeitsstrecken in Rekordgeschwindigkeit bauen. Die chinesische Regierung kann ihre Banken anweisen, jedem beliebigen Land umgehend Kredite zu gewähren; sie kann den Import und Export mit Staatsunternehmen koordinieren, Waren aus Ländern kaufen, die sie mag, oder Waren aus Ländern, die sie nicht mag, verbieten. Der Regierungsmechanismus der Kommunistischen Partei unterscheidet sich somit drastisch vom US-amerikanischen Modell der Gewaltenteilung, bei dem regelmäßig zahlreiche Regierungsebenen und politische Akteure in heftige Auseinandersetzungen miteinander geraten.

Beispielsweise gibt es nicht ständig Streit zwischen dem Politbüro und der Legislative, dem Nationalen Volkskongress, weil die höheren Ebenen ihre Gesetzgebungsagenda kontrollieren. Daher gibt es auch keinen Stillstand oder eine Lähmung des Systems. Die hypothetischen Spekulationen über eine Rebellion gegen Xi Jinping und die Besessenheit von der Gruppe Wagner haben somit überhaupt keinerlei Bezug zu der Art und Weise, wie China regiert wird, dessen System in Wirklichkeit stabiler und koordinierter ist als alle anderen Systeme. 

Aber der Westen hofft natürlich ebenso vergeblich auf ein Scheitern Chinas wie im Fall von Russland.

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