Von Joe Bessemer
Hybride aus sowjetischen bodenbasierten Luftabwehrsystemen wie Buk und westlicher Luftzielmunition, ursprünglich teils luft- und teils bodengestützte Lenkflugkörper, kommen im Ukraine-Krieg bei Kiews Truppen zunehmend zum Einsatz. (“FrankenSAM” ist die Kurzform von “Frankensteins Luftabwehr-Raketensystem”, ein Begriff, der vom US-Militär offiziell verwendet wird.)
Dies zeigt: Im Hinblick auf die Luftabwehr weisen die Streitkräfte der NATO-Staaten Mängel auf. Diese Ansicht vertritt Mark Cancian, Oberst a. D. der US-Marineinfanterie und heute hochrangiger Berater bei der Denkfabrik Center for Strategic and International Studies. Im US-Geschäftsnachrichtenportal Business Insider mit 97-prozentiger Beteiligung der Verlagsgruppe Axel Springer wird Cancian sinngemäß zitiert:
“Die FrankenSAM füllen eine kritische Lücke für die Ukraine, weil ihre Verbündeten nicht genügend bodenbasierte Luftabwehrsysteme haben, die sie ihr geben könnten.”
Beispiel: Zwar habe Washington zwölf norwegische Luftabwehrsysteme Typ NASAMS zur Lieferung an das ukrainische Militär zugesichert, doch tatsächlich ausgeliefert worden seien bis Anfang Februar 2024 nur zwei davon, weil der Rest noch gefertigt werde. Gleichzeitig bestehe seitens der westlichen Streitkräfte selbst eine enorme Nachfrage nach derartigem Rüstungsgut.
Derweil hat das ukrainische Militär noch Bestände an Luftabwehrsystemen aus sowjetischem Vermächtnis, für die jedoch wiederum Raketen fehlen.
Deswegen passen die USA und die Ukraine diese sowjetischen Waffensysteme an verschiedene westliche Lenkflugkörper an, von denen in westlichen Arsenalen noch genügend lagern. Das bisher einzige System, dessen Einsatz – ein Jahr nach erklärtem Abschluss der Anpassungsarbeiten – angeblich erfolgreich gegen eine russische Geran-Kamikazedrohne von der ukrainischen Seite bekannt gegeben wurde, ist Buk.
🇺🇦 Minister for Strategic Industries Olexander Kamyshin:🇺🇸 "Ukrainian-American air defense project "FrankenSAM" is already operating on the battlefield" pic.twitter.com/mnHS1thYbn
— MAKS 23 🇺🇦🏆 (@Maks_NAFO_FELLA) December 27, 2023
Geschossen wurde allem Anschein nach mit Raketen des Typs RIM-7 Sea Sparrow aus US-Herstellung: Die Originalraketen des Buk haben, genau wie die US-Lenkflugkörper, halbaktive Zielsuchköpfe. An TELAR-Fahrzeugen (Transport, Aufstellung, Abfeuern, Radar) des Systems Buk hat das ukrainische Militär noch mehrere Dutzend im Bestand – es mangelt eben nur an Originalmunition. Insgesamt seien laut ukrainischer Quellen Stand Oktober 2023 fünf der hybriden Buk-Systeme an Kiew geliefert worden und weitere siebzehn seien noch im Anpassungsprozess begriffen.
Nach dem Kalten Krieg, als die USA wie andere NATO-Staaten noch solide Bestände und Aufgebote an Boden-Luft-Raketensystemen unterhielten, wurden diese wegen einer Akzentsetzung auf andere Arten der Kriegsführung abgebaut, so Business Insider mit Verweis auf Cancian. Nun werde dies rückgängig gemacht. Um den Rückstand aufzuholen, seien jedoch Jahre nötig, prognostizierte der US-Experte.
Beide obige Tendenzen rücken die von der griechischen Nachrichtenagentur Kathimerini als beschlossen oder nahezu beschlossen vermeldeten Lieferungen von Waffensystemen sowjetischer beziehungsweise russischer Herstellung aus Athens Militärbeständen an Kiew in neues Licht.
Greece agreed to transfer its old Soviet-made military equipment to Ukraine after U.S. requests, Kathimerini reports. This decision would unlock $200 million FMF sales for new military equipment programs offered by the U.S.Greece has Tor, S-300, OSA and ZU-23-2 AA guns. pic.twitter.com/c7ViWLlK1z
— Clash Report (@clashreport) January 28, 2024